Sieben sagenhafte Kultorte in Deutschland
In: Tattva Viveka (98). März 2024, S. 36-43.
Heilige Berge und heilige Höhlen kennen wir aus den verschiedensten Traditionen. Dass wir eben solche sagenumwobenen Berge und Höhlen auch in Deutschland, sozusagen vor der eigenen Haustür haben, daran denken wir selten. Diese Kultstätten der Germanen und Kelten lassen sich auch heute noch besuchen.
Heilige Berge, heilige Höhlen
Überall auf der Welt gibt es heilige Berge – man denke an den Kailash in Tibet, den Kilimandscharo in Tansania oder den Uluru in Australien. In Europa sind solche Berge vor allem aus der griechischen Antike bekannt, etwa der Olymp, auf dem die zwölf hellenischen Hauptgötter residieren, oder der Parnass, an dessen Fuße sich das Orakel von Delphi befindet. Solche Orte wurden seit jeher als Wohnstätten der Götter wahrgenommen. Dasselbe gilt freilich auch für heilige Höhlen, die zum Teil seit Jahrzehntausenden von Menschen aus kultisch-religiösen Gründen aufgesucht werden und die sich naturgemäß sehr häufig in heiligen Bergen befinden. Auch diese Orte gelten als Behausungen von Gottheiten und Geistern. Zeus zum Beispiel soll in einer Höhle des Kretischen Idagebirges geboren worden sein, und auf halber Höhe des Parnass befindet sich die heilige Höhle des Pan und der Nymphen (Korykische Grotte).
Weniger bekannt ist, dass es auch in Deutschland solche Götterberge und Göttergrotten gibt: Einige waren einstmals den Germanen oder Kelten heilig, manche wurden bereits von bronzezeitlichen Bauern besiedelt und von steinzeitlichen Gruppen besucht. Heute sind diese Orte vielfach völlig in Vergessenheit geraten, wenn nicht in Verruf, oder auch zu Hotspots der Touristik ausgebaut. Doch in alten Überlieferungen, Sagen oder Märchen, hat sich ihre naturmagische Bedeutung bis in die Gegenwart erhalten. Schon die Namen vieler dieser Orte erinnern uns noch heute an die alten Götter, in Sonderheit gewiss die Wotanberge und die Hollehöhlen, oder auch Holleberge und Wotanhöhlen, die im Folgenden eine besondere Rolle spielen sollen: Bereits die Brüder Grimm wussten, dass Wotan (altnord. Odin) und Holle (altnord. Frigg) die Hauptgötter der Germanen waren – daher ist es nur naheliegend, dass den beiden viele Kultorte geweiht waren.
Ob die sieben sagenhaften Berge und Höhlen, die hier besprochen werden, tatsächlich allesamt auf uralte Götterstätten zurückgehen, lässt sich heute nicht mehr abschließend beurteilen: Viele Sagen wurden erst in der Neuzeit aufgeschrieben; wie lange sie vorher mündlich tradiert wurden, ist unbekannt. Die meisten modernen Sagenforscher gehen davon aus, dass es sich eher um jüngere Geschichten handelt. Für die romantischen Gelehrten, die Gebrüder Grimm, aber auch beispielsweise Heinrich Heine oder Ludwig Bechstein, bestand gleichwohl kein Zweifel, dass zumindest einige dieser volkstümlichen Überlieferungen bereits vorzeiten von Bedeutung waren und mit sehr alten Mythen und Riten in Beziehung stehen. Mit diesen letztgenannten Leuten wollen wir uns nun auf eine romantische Reise zu sieben sagenumwobenen Höhlenbergen und Bergeshöhlen begeben, gleichsam auf eine wahre Märchenfahrt in eine Zeit, die »einmal war«.
1. Das Siebengebirge und die Drachenhöhle
2. Der Osning und die Hexenhöhlen
3. Der Brocken und die Bielshöhe
4. Der Kyffhäuser und die Barbarossahöhle
5. Der Hohe Meißner und der Godesborn
6. Der Hörselberg und die Liebesgrotte
7. Die Rhön und die Wichelhöhlen