Klimawandel, Waldsterben und Plastikmüll in unseren Weltmeeren – das sind nur wenige Beispiele für die große ökologische Katastrophe, in der wir uns im 21. Jahrhundert befinden. Etwa 150 Tier- und Pflanzenarten sterben täglich aus: Zwar gab es schon fünf Mal ein solches Artensterben auf dem Planeten, doch ist es diesmal anders, denn die aktuelle Krise ist ausdrücklich anthropogen, das heißt »menschengemacht«. Kaum zu glauben, aber wahr, der Mensch zerstört gerade seine eigene Lebensgrundlage. Grund genug, zu fragen, warum er das macht: Welche Geisteshaltung und Gesinnung – welche Weltanschauung und Naturauffassung – stecken hinter dem geradezu naturfeindlichen Verhalten, das der moderne Mensch gegenwärtig an den Tag legt?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, soll hier eine geistes- und religionsgeschichtliche These erörtert werden, die in der Vergangenheit zwar immer wieder vorgetragen wurde, gleichwohl nie ins breitere Bewusstsein gedrungen ist: Die Rede ist von der schwerwiegenden Behauptung, dass mit der Christianisierung ein paradigmatischer Weltbildwandel – gar ein Bruch im menschlichen Bewusstsein – stattgefunden habe, in dessen Zuge sich die Menschheit radikal von ihrer natürlichen Umwelt abwendete bis hin zur Naturverteufelung, was schließlich zur gegenwärtigen Krise führte.
Schon Friedrich Schiller konstatiert in seinem geschichtsphilosophischen Gedicht Die Götter Griechenlandes (1788), dass mit dem Wechsel vom animistischen zum christlichen Glauben eine Naturentfremdung sondergleichen stattgefunden habe: Mit der Verdrängung der vorchristlichen Naturreligion sei eine »schöne Welt verlorengegangen, in der die Wälder pantheistisch alldurchgöttert waren und ›eine Dryas lebt‹ in jedem Baum«. Im Zuge der monotheistischen Mission – »Einen zu bereichern, unter allen« – sei die lebendige Natur entgöttert und entzaubert worden: »durch die Wälder ruf ich, durch die Wogen, Ach! sie widerhallen leer!«
In jüngerer Vergangenheit hat der US-amerikanische Wissenschaftshistoriker Lynn White Jr. dieselbe These in seinem wirkungsmächtigen Aufsatz The historical roots of our ecological crisis (1967) wieder aufgegriffen: Seine Ausführungen, dass die moderne Umweltkrise in der christlichen Vorstellungswelt wurzelt, führten sogar innerhalb der Kirche zu ökologischen Reformen und sind in jeder ernst zu nehmenden ökosophischen Betrachtung der Thematik unumgänglich.
Verwunderlicherweise sind die Überlegungen zu den religiösen Wurzeln unserer ökologischen Krise seitdem jedoch wieder weitestgehend aus dem Diskurs verschwunden, verwunderlich, weil sich die Krise seitdem dramatisch zugespitzt hat und wir auf Probleme zusteuern, deren praktische Lösung theoretisches Verständnis ihrer Ursachen verlangt. Die religiös-spirituellen Hintergründe unseres ökologischen Notstandes an einem konkreten kulturhistorischen Beispiel aufzuzeigen, aber auch einen progressiven Lösungsansatz vorzustellen, ist das Anliegen der nachfolgenden Ausführungen.