Thomas Höffgen

 

Goethes Walpurgisnächte

Zwischen Pantheismus und Kirchenkritik

 

In: Goethe-Jahrbuch 131 (2014), S. 71-78.

 I. Einleitung

 

Walpurgisnacht – das ist die Nacht zum 1. Mai, in der nach altem Volksglauben die Hexen und Unholde auf Besen und Böcken, nackt und mit Hexensalbe versehen zum Blocksberg fliegen, um dem Diabolos zu huldigen. Der Sage nach treffen sich die Hexen und Hexenmeister jedes Jahr im Frühjahr auf dem Brocken im Harz, um mit ihren Buhlteufeln zu tanzen, Unzucht zu treiben und gotteslästerliche Rituale abzuhalten. Walpurgisnacht – das ist ein Synonym für Hexensabbat, Zaubersabbat oder ‚synagoga satanae‘.

 

Verbreitung fand die Vorstellung von diesem Hexenfest seit der frühen Neuzeit mit der Erfindung des Buchdrucks, als christliche Gelehrte und ‚Hexentheoretiker‘ sich mit der ‚Hexenfrage‘ auseinandersetzten und sie in diversen Dämonologien abhandelten. Eine breite Popularität erlangte die Walpurgisnacht durch Goethes Faust. Der Tragödie Erster Teil (1808), in deren Szene Walpurgisnacht der Teufelsbündner Faust mit dem Teufel Mephistopheles den Weltgeistgipfel – hier: den Brocken – zu erklimmen sucht, um endlich zu erkennen, „was die Welt / Im Innersten zusammenhält“ (WA I, 14, S. 28).

 

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